Medizinische Einrichtungen werden durch eine unübersehbar gewordene Menge von Gesetzen, Verordnungen, Normen, Richt- und Leitlinien, Empfehlungen usw. reguliert. Nicht immer ist klar, wie weit sie bindend sind.
Gesetze und Verordnungen müssen eingehalten werden. Die Annahme von Leitlinien und Normen ist weitgehend frei gestellt. Da sie aber oft den Stand von Wissenschaft und Technik darlegen, muss ihr Inhalt zumindest bekannt sein und für das eigene Handeln abgewogen werden.
In ihrer Qualitätspolitik soll eine Organisation erklären, welche Dokumente sie für sich und die Mitarbeiter ausdrücklich als gültig anerkennt. Damit wird die Diskussion umgangen, ob diese oder jene Regel zwingend eingehalten werden muss oder nicht.
Jedes Krankenhaus muss einen eigenen Katalog seiner “Anerkannten Regeln” aufstellen. Die Abweichungen sind aber nicht groß, so dass man sich aus einem gemeinsamen Katalog bedienen kann.
Unser Katalog ist nach Herausgebern geordnet. Die Herausgeber sind zu Gruppen zusammengefasst.
Der Katalog wird je nach Bedarf gepflegt. So weit möglich sind Texte hinterlegt oder der Titel wird auf eine Internet-Adresse verlinkt.
Sie finden die Liste der Anerkannten Regeln in der Guten Hospital-Praxis, Kapitel 1 Kontext des Krankenhauses, Abschnitt 1.1 Auftrag und Vision
Liste der Herausgeber
Code | Gruppe |
A | Internationale Institutionen |
B | Nationale Herausgeber USA |
C | NIH – National Institutes of Health |
D | US – Fachgesellschaften |
E | Diverse US-Herausgeber (nicht FDA, nicht NIH) |
F | Diverse Länder (nicht Europa, nicht USA) |
G | Diverse Länder (Europa) |
H | EU-Rat – Europäische Union |
I | EMA-CHMP |
J | Europäische Fachgesellschaften |
K | Fachgesellschaften einzelner europäischer Länder außer Deutschland |
L | Gesetze, Verordnungen Bundesrepublik Deutschland |
M | Bundesministerien |
N | Bundesinstitute |
O | Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte |
P | Ländergesetze |
Q | Länderinstitute und -behörden, Ausschüsse |
R | Kammern |
S | Sozialversicherungsträger + Kassenärztliche V |
T | Unfallversicherungsträger |
U | Deutsche Fachgesellschaften und Verbände |
V | Normen |
W | Einrichtungen |
X | Gerichtsentscheidungen |
Y | Bücher |
Z | Zeitschriften |
Projektbeschreibung “Anerkannte Regeln”
Einleitung
In Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen wird über eine Regelungswut geklagt, die in den letzten Jahren noch weiter zugenommen habe. Mit einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Bekanntmachungen, Vorschriften und Merkblättern wird versucht, für den Patienten im Krankenhausbetrieb die nötige Sicherheit zu verschaffen. Gleichzeitig wird tief in eine Tätigkeit eingegriffen, bei der sich Ärzte und Forscher immer auf eine besondere Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit berufen haben. Der Kostendruck im Gesundheitswesen hat die Regelungslawine noch wachsen lassen.
Die medizinische Versorgung ist tatsächlich immer gefahrenträchtiger geworden. Den für die Qualität verantwortlichen (leitenden) Ärzten und Forschern fällt es immer schwerer, alle Sicherheitsmaßnahmen wirklich einzuhalten. Nur bei einer systematischen und fachlichen Bearbeitung kann es gelingen, hier Übersicht und Hilfestellung zu geben. Die Klinikleitungen sind zeitlich damit überfordert.
Medizin und Wissenschaft sind nicht die einzigen oder ersten, die vor dem geschilderten Problem stehen. Wachsende Sicherheits- und Qualitätsvorstellungen im Produkt- und Umwelthaftungsrecht haben die großen Industrieunternehmen gezwungen, bei der Produktplanung, der Herstellung und Vermarktung eine Fülle von Vorschriften mit peinlicher Sorgfalt einzuhalten. Dabei sind häufig nicht nur die Gesetze und technischen Normen des Herstellerlandes zu beachten. Ein Medizingerätehersteller muss z. B. ein Röntgengerät so planen und produzieren, dass es weltweit die Zulassungsvorschriften erfüllt. Ähnlich gehen die Arzneimittelhersteller vor: Der Nachweis für Wirksamkeit, Sicherheit und pharmazeutische Qualität eines neuen Arzneimittels wird so geführt, dass es nahezu zeitgleich weltweit zugelassen werden kann.
Verglichen damit, stellt sich das Problem der Krankenhäuser und Forschungseinrichtungen eher als gering dar. Trotzdem sollte man auch hier anerkennen, dass es zur Leitungsverantwortung gehört, systematisch die von verschiedenen Seiten erhobenen Forderungen zu erkennen, bekannt zu machen und umzusetzen.
Verfahren und Maßnahmen
Qualitätsforderungen
Zunächst erscheint eine Veränderung der Einstellung wichtig: Man sollte aufhören, die Regelungen grundsätzlich als Verhinderungsmaßnahmen für das eigene Arbeitsgebiet im Krankenhaus zu begreifen – auch wenn sie manchmal so wirken. Die meisten Gesetze, Verordnungen oder Empfehlungen enthalten berechtigte Forderungen hinsichtlich Sicherheit und Qualität der Produkte oder Dienstleistungen. Das gilt z. B. für den Strahlenschutz oder die Gerätesicherheit in der Medizin. Ganz deutlich wird der unterstützende Sinn bei den Leitlinien der Fachgesellschaften. Ähnlich wie bei den gesetzlichen Vorschriften kann man davon ausgehen, nicht völlig verkehrt zu liegen, wenn man sich zumindest an die gestellten Anforderungen hält. Man darf voraussetzen, dass diese Regeln sich auf den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und der ärztlichen Erfahrung stützen – also evidence-based sind.
Es macht wenig Sinn, Vorschriften danach zu unterscheiden, ob man sie einhalten muss oder ob sie lediglich empfehlenden Charakter haben. Sicherlich bekräftigt die Androhung von Zwangsmitteln die Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen. Die Qualitätsrichtlinien der kassenärztlichen Versorgung beschränken die Vergütung sehr wirksam auf solche Leistungen, die die Voraussetzungen erfüllen. Kein Arzt muss Leitlinien der Fachgesellschaften einhalten. Er ist aber gut beraten, wenn er sein Handeln zumindest daran orientiert, um sich im Haftungsfall auf den Stand der „ärztlichen Kunst“ berufen zu können.
Wir schlagen deswegen vor, alle Regelungen mit mehr oder minder starker Auswirkung auf das ärztliche Handeln unter dem Begriff der „Anerkannten Regeln“ zusammenzufassen. Alle Regeln für das ärztliche Handeln erhalten ihre Gültigkeit erst und so weit, wie wir sie für uns anerkennen. Bei Gesetzen haben wir keine Wahl, wir müssen sie anerkennen.
Wir verändern unsere Lesart: Gesetze, Verordnungen, Empfehlungen usw. enthalten Forderungen, die die Herausgeber dieser Dokumente an unser Handeln stellen. Bei Gesetzen und Verordnungen stützt sich der Herausgeber auf die demokratisch vermittelte Willensbildung. Man bezeichnet sie als „Anforderungen der Gesellschaft“, die unter Zwang durchgesetzt werden können. Andere Dokumente enthalten ebenfalls Forderungen, die sich aber auf vertragliche Vereinbarungen oder auf fachliches Wissen stützen. Der Anwender ist frei, die Forderungen in diesen Dokumenten als berechtigt anzuerkennen.
Wir haben deswegen im Projekt „Ein Qualitässicherungshandbuch für das Krankenhaus“ beschlossen, einen Katalog dieser Regeln zusammen zu stellen. Das Projekt gehört zur Planungsphase eines umfassenderen Gesamtprojektes: zunächst sollen die Qualitätsforderungen analysiert werden, die an das Krankenhaus gestellt werden. Dann können systematisch alle Forderungen in Verfahrensanweisungen umgesetzt geschrieben werden. Zum Abschluss kann durch Audits geprüft werden, ob bei der Umsetzung Defizite stehen geblieben sind und wo noch nachgebessert werden muss.
Geregelter Bereich
Hierunter fallen alle Anforderungen der Gesellschaft, wie sie in Gesetzen, Verordnungen und anderen meist vom Staat herausgegebenen Dokumenten festgelegt sind. Enthalten sind in der Regel Mindestanforderungen an die Sicherheit und an die Einhaltung der üblichen Verkehrspflichten. Diese Forderungen müssen erfüllt werden. Das gilt insbesondere für Ärzte. Deren Berufsausübung ist nur solange privilegiert, wie sie sich an die ihnen auferlegten Berufspflichten halten.
Ungeregelter Bereich
Aus technischen, fachlichen und vielen vertraglichen Anforderungen hält sich der Staat heraus. Diesen Bereich bezeichnet man als „ungeregelt“. Dazu zählen die technischen Regeln der DIN-Normen und die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften. Solche Regeln finden in der Fachwelt ohne viel Widerspruch schnell Anerkennung, obgleich sie nicht mit Zwangsmitteln belegt sind.
Ergebnis
Hiermit wird ein Katalog der „Anerkannten Regeln“ vorgelegt. In die Datenbank wurden alle Dokumente aufgenommen, die Anforderungen stellen an den Betrieb eines Krankenhauses und die Erstellung ärztlicher, pflegerischer und medizinisch-technischer Leistungen sowie medizinischer Produkte.
Kriterien
Kriterien für die Aufnahme in die Datenbank sind:
· Die Dokumente müssen mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution herausgegeben worden sein.
· Als „Institution“ oder „Herausgeber“ gelten Organisationen, die über eine bestimmte Zusammensetzung, beschriebene Aufgaben und eventuell eine Satzung oder Verfahrensordnung verfügen. „Herausgeber“ in diesem Sinne sind z. B. Gesetzgeber, Behörden, Körperschaften des öffentlichen Rechts, Fachgesellschaften, Universitäten, Krankenhäuser usw. Als Herausgeber sind auch renommierte Zeitschriftenverlage aufgeführt, wenn die in der Zeitschrift veröffentlichten Übersichtsartikel einem formalen Review-Verfahren unterliegen.
· Die Dokumente müssen für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse im Krankenhaus oder bei der medizinischen Forschung festlegen.
· Die Absicht der Herausgeber soll sein, einen „optimalen Ordnungsgrad“ für solche Tätigkeiten anzustreben und nicht etwa, damit eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Dokumente, deren Inhalt offensichtlich auf die Privilegierung der eigenen Fachgruppe abzielen, mit denen bestimmte Produkte oder Verhaltensweisen durchgesetzt werden sollen, werden nicht aufgenommen.
· Die Dokumente sollen auf gesicherten Ergebnissen aus Wissenschaft, Technik und Erfahrung basieren. Nicht geprüft wird, ob sie den „Stand der Wissenschaft“ repräsentieren. Insoweit muss nachvollziehbar sein, ob wir uns auf diese Dokumente stützen können, z. B. weil sich andere bereits der Mühe unterzogen haben, diese Aussagen wissenschaftlich zu prüfen (sie auf Evidenz zu gründen).
· Die Dokumente sollen von den Herausgebern formell in Kraft gesetzt worden sein. Herausgabe- und eventuelle Revisionsdaten müssen bekannt sein. Gewünscht wird die Darlegung der Art und Weise, wie das Dokument erstellt wurde, welche Personen daran beteiligt waren und ob eventuell Interessenkonflikte bestehen.
In den Katalog der „Anerkannten Regeln“ wurden Dokumente aus dem „geregelten Bereich“ wie Gesetze, Verordnungen, Bekanntmachungen des Gesetzgebers, der Kammern, der Kassenärztlichen Vereinigungen, des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen und der Versicherungsträger aufgenommen. Aus dem „ungeregelten Bereich“ sind das Richtlinien, Empfehlungen, Standards, Review-Artikel, Verträge.
Da insbesondere große Kliniken wie Universitätskliniken ein sehr breites Arbeitsspektrum haben, ist eine Beschränkung auf nationale Herausgeber nicht vertretbar. Der Katalog umfasst also auch Dokumente internationaler Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation, dem Weltärztebund, den europäischen Behörden und vieler Fachgesellschaften des Auslandes, die über die Grenzen ihres Landes Anerkennung gefunden haben. Für die Wiederauffindung musste ein Ordnungs- und Codierungsverfahren entwickelt werden.
Dabei kann Vollständigkeit schon vom ansatz her nicht beansprucht werden. Jede Abteilung wird einige Dokumente vermissen, dafür andere aber für überflüssig halten. Wir sind wo vorgegangen, dass wir zunächst alle Dokumente gesammelt haben, die uns in den letzten Jahren als relevant für unsere arbeit als Qualitätssicherungsgruppe vorgekommen sind. Wir können auch nicht immer garantieren, dass wir Revisionen von Dokumenten in unseren Katalog immer eingearbeitet haben.
Wir sind für jeden Hinweis auf Fehler dankbar. Wer noch Dokumente vermisst, möge uns das ebenfalls mitteilen. Revisionen, die wir übersehen haben, können für eine neue Version unseres Kataloges verarbeitet werden.
Volltexte der Regeln
Immer mehr Dokumente können als Volltext auch aus dem Internet abegrufen werden. Wir haben viele Texte als Word-Dokument, in HTML-Version oder als PDF-Datei in die EDV übernommen. Den Versuch, Pfade ins Internet zu legen, haben wir aufgegeben: Es stellte sich heraus, dass die Pfade nicht stabil sind. Wir empfehlen, die Texte in die eigene EDV zu übernehmen.
Aus urheberrechtlichen Gründen ist aber eine Weitergabe oder auch grundsätzliche Einspeisung in Datenbanken nur begrenzt möglich.
Aktualisierung des Kataloges
Um den Katalog aktuell zu halten und weiter auszubauen, wurden Suchstrategien festgelegt. Eine Liste von Publikationsorganen wird regelmäßig auf relevante Dokumente durchgesehen. Zusätzlich wird über Stichworte in Datenbanken des Internets nach entsprechenden Dokumenten gesucht. Soweit möglich, werden die Volltexte beschafft und in das Gesamtsystem eingegliedert.
Veränderungen des Kataloges werden regelmäßig über einen Newsletter bekannt gegeben.
Fazit
„Qualität“ wird definiert als „Satz inhärenter Merkmale eines Produkts, Systems oder Prozesses, der die Anforderungen von Kunden und anderen interessierten Parteien erfüllt“ – dazu gehören auch die Gesellschaft als Ganzes und die Solidargemeinschaft der Versicherten. Sie stellen Qualitätsforderungen an die Wirksamkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Schutz der Umwelt usw.
Alle Forderungen der Gesellschaft sollen bei der Festlegung der Qualitätsforderung in Betracht gezogen werden. Unter „Forderungen der Gesellschaft“ werden alle gesetzlichen Forderungen verstanden und alles das, was als Stand von Wissenschaft und Technik gilt. Die Krankenhausleitung muss also, um ihrer Organisationsverantwortung nachzukommen, diese Anforderungen kennen und systematisch prüfen, ob die Anforderungen erfüllt werden. In gleicher Weise müssen die Berufsgruppen im Krankenhaus die „marktüblichen“ Anforderungen kennen und darlegen, wie sie diesen genügen. Ohne ein systematisches Qualitätsmanagement ist ein solcher Nachweis nicht zu erbringen.
Dafür möchte der „Katalog der anerkannten Regeln“ die Basis legen.
Hamburg, im März 2015